Tanjas Olympia Newsletter Sotschi 2014

Slogan figureskating-onine.comTeil 1
1. Februar 2014

Die Anreise am Dienstag verlief bis auf ein paar kleinere Verspätungen beim Abflug von Moskau nach Sotchi reibungslos. Schon als die Passagiere aus dem Frankfurt-Flieger stiegen, erwarteten sie freiwillige Helfer in den bunten Sotchi-Uniformen. Freundlich erklärten sie, was nun zu tun sein, denn man muß – ähnlich wie in den USA – die Passkontrolle passieren und sein Gepäck durch den Zoll bringen und neu einchecken. Außer mir waren noch ein paar Kanadier und Franzosen mit dem Ziel Sotchi im Flieger. Die Volunteers begleiteten uns von der Gepäckausgabe zum Check-In Schalter, dort war einer für Akkreditierte reserviert. So ging alles schnell.

In Sotchi waren trotz später Stunde – gegen Mitternacht – noch alle Infoschalter besetzt und zu meiner Freude fuhr auch der Bus zu meinem Hotel noch alle zehn Minuten.

Das Hotel ist eine Art Apartmentwohnanlage namens Ekaterinskij Kvartal (Katharinen-Viertel), schnell in Billigbauweise hochgezogen, recht einfach, aber sauber. Das ist ja die Hauptsache. Leider auch sehr hellhörig. Ich kann das laute Gequatsche meiner Nachbarinnen hören, auch jetzt, wenn ich diese Mail schreibe. Das Internet funktioniert heute abend nicht im Zimmer, daher schicke ich diese Nachricht wohl erst morgen ab. Im Hotel bröckelt schon der Putz und die Verarbeitung ist schlampig, aber wenn ich als Bauarbeiter um meinen Lohn geprellt worden wäre, hätte ich mir auch keine Mühe gegeben!

Wir bekommen ein reichhaltiges Frühstück im Hotel und für umgerechnet 11 Euro kann man auch ein Abendessenbüffet nutzen. Am Hotel leben auch ein paar herrenlose Hunde, die aber sehr zutraulich sind. Die Gerüchte über Massentötungen von freilaufenden Tieren scheinen also zum Glück nicht zu stimmen, denn sogar im Olympiapark habe ich Hunde herumstreunen gesehen.

Im Hotel, das aus mehreren Apartmenthäusern besteht, wohnen viele meiner Kollegen vom Olympischen Pressedienst (ONS/Olympic News Service), aber auch Mitarbeiter und Helfer aus anderen Bereichen sowie internationale Journalisten. Ich habe bereits Bekannte aus Russland und Japan getroffen. Mit einem Bus fährt man von hier 15 bis 30 Minuten je nach Route und Verkehrslage zum großen Pressezentrum und TV-Pressezentrum (MPC/IBC). Das befindet sich am Rand des Olympischen Parks.

Im Olympischen Park sind alle Sportstätten an der Küste zusammen: Eiskunstlauf-, Eisschnelllauf-, Eishockey- und Curlinghalle sowie das Stadion für die Eröffnungsfeier. Eiskunstlauf und Short Track teilen sich wie immer eine Halle, den „Eisberg“, der mir von zwei russischen Meisterschaften und dem Grand Prix Finale Ende 2012 her gut bekannt ist.

Vom MPC kann man zum Eisberg laufen, das dauert etwa 15 Minuten, oder man nimmt den Bus, der aber erstmal alle anderen Hallen abklappert und dementsprechend langsam ist. In London hatten sie im Olympiapark klugerweise zwei Routen eingerichtet, die eine fuhr im Uhrzeigersinn und die andere gegen den Uhrzeigersinn.

Mein erster Tag war also der Mittwoch. Zuerst ging ich ins MPC, um das ONS-Team dort zu begrüßen und ein paar Formalitäten zu erledigen wie mein Telephon abzuholen. Danach stand die Uniformausgabe auf dem Plan. Im FB habe ich ja ein Photo von der Uniform hochgeladen. Sie sie ist wirklich sehr, sehr bunt! Einige Leute haben schon gewitzelt, daß nun Tausende Volunteers und Mitarbeiter ausgerechnet in Regenbogenfarben herumlaufen. Die Uniform besteht aus Winterjacke, Kapuzenshirt, drei langärmeligen Hemden, Mütze, Kappe, Gürteltasche, Tasche, Rucksack, blauen Turnschuhen. Alles ist von der Firma Bosco gestellt. Die Qualität ist mittelmäßig und das Zeug ist mir zu polyesterhaltig, aber was soll’s. Wir laufen ein paar Wochen als Papageien herum. Das größere Problem wird der Mangel an Waschmaschinen in den Hotels sein.

Nachdem ich mich mit der Uniform eingedeckt hatte, bin ich in den Eisberg marschiert und traf dort mein „venue team“, das aus vielen bekannten Gesichtern besteht. Mit James Cowling, unserem Supervisor, machte ich einen Rundgang durch die Halle. Alles ist gut und schön und sieht toll aus, aber die mixed zone ist viel zu klein. Das haben wir den Russen schon vor über einem Jahr gesagt, aber passiert ist nichts. Jetzt haben wir den Salat. Sie versuchen, die mixed zone in einen Korridor hineinzuziehen, aber der ist schmal, das wird alles eng werden. Ich kann mir jetzt schon vorstellen, was passiert, wenn Jevgenij Pluschenko oder Yuna Kim auftreten.

Am Donnerstag hatten wir das erste Training, aber es tauchte nur ein Sportler auf, Michael Christian Martinez von den Philippinen, der alle Aufmerksamkeit für sich hatte. Ich interviewte ihn für ONS, außerdem waren das koreanische und chinesische Fernsehen sowie ein japanischer Journalist da, die ihn ebenfalls interviewten. Michael ist auch deshalb interessant, weil der der erste Eiskunstläufer von den Philippinen ist, der bei Olympischen Spielen startet. Er sagte, daß es sein Ziel sei, ins Kürfinale zu kommen. Aber selbstbewusst kündigte er an, daß er in vier Jahren in Korea um Medaillen mitlaufen wolle. Ansonsten habe ich mich um die ISU-Sportlerbiographien gekümmert und letzte Änderungen vorgenommen, Scoreboard-Infos aktualisiert, die Trainingshalle nebenan besucht, das miese Mittagessen in der Mitarbeiter-Lounge probiert, den Rest meiner extended start lists fertiggestellt. Der Tag war ruckzuck rum.

Am Freitag ist nicht viel Neues passiert. Ich habe an meinen Vorschauen gearbeitet, denn ich muss für den neuen Teamwettbewerb sowie für die anderen Konkurrenzen jeweils zwei Vorschauen schreiben, eine „fact box“ mit den wichtigsten Fakten sowie einen ausführlicheren event preview, in dem ich genauer auf die Favoriten und eventuelle Besonderheiten eingehe. Mit Mario habe ich außerdem die Elementenlisten der Läufer mit neu eingesandten Formularen abgeglichen und aktualisiert. Abends war ich mit ein paar anderen zum Essen eingeladen. Der ISU Sportdirektor feierte seinen 70. Geburtstag. Ich saß den ganzen Abend neben dem russischen Vize-Minister für Sport und habe übersetzt. Den Vize-Minister kenne ich schon, denn er ist öfter beim Eislaufen in Rußland. Wir waren in einem Restaurant im neuen Bergort „Rosa Hutor“, ca. 45 Minuten Fahrt von Sotchi entfernt. Dort wurde ein alpines Skiresort aus dem Boden gestampft. Es sah schon beeindruckend aus.

Am Samstag schließlich kam etwas Leben in die Bude, denn der dreifache Weltmeister Patrick Chan, ein Topfavorit hier, war angereist und absolvierte sein erstes Training in der Trainingshalle. Fast hätte er das noch verpaßt, denn er hatte sich in der Zeit verschätzt, wußte nicht wie lange er braucht , um vom Olympischen Dorf zur Halle zu kommen. Da aber außer unserem Filippino noch kein anderer Läufer da war, durfte Patrick einfach das Eis in der nächsten Gruppe nutzen. Wir warteten in der mixed zone auf ihn und bekamen ein paar gute Zitate. Ich stand ganz vorn in der mixed zone, und er kam natürlich schnurstracks zu mir. Patrick lockte bereits viele Journalisten und das Fernsehen an, auch zu seinem zweiten Training in der großen Wettkampfhalle. Sein Training war eine nette Abwechslung, denn ansonsten war ich den ganzen Tag damit beschäftigt, die olympischen Sportlerbios zu korrigieren. Die werden nämlich von einer externen Firma produziert und sind leider sehr fehlerhaft. Und diese Leute bekommen noch einen Haufen Geld dafür!

In den Bios stehen z.T. völlig belanglose Informationen, z.B. bei Amerikanern oder Kanadiern unter gesprochene Sprachen „Englisch“. Aha. Hätte ich jetzt nicht erwartet. Dafür stand bei dem Spanier nur Englisch, aber nicht Spanisch. Aber das ist noch harmlos. Völlig absurd fand ich, daß sie bei einem Läufer unter „Rituale“ schrieben: „In der Zeit zwischen den Einlaufen und seinem Programm geht er nie auf Toilette.“ Bescheuert! Dann wurden teilweise noch frühere Partner verwechselt, Männer und Frauen verwechselt u.a. Mich nervt nur, daß ich den ganzen Tag damit zu tun hatte, den Mist zu beseitigen, den andere gemacht haben. Ich habe eigentlich Wichtigeres zu tun, z.B. weitere Vorschauen zu schreiben. Aber die Bios müssen in Ordnung sein.

Heute hätten wir zu einer Probe für die Eröffnungsfeier gehen können, aber ich habe darauf verzichtet, denn es hätte bedeutet vier bis fünf Stunden in der Kälte auszuharren.

Teil 2
8. Februar 2014

Zur Eröffnungsfeier hatte ich mal wieder das Glück für die Sportlerinterviews rekrutiert zu werden. Das ist eine doofe Aufgabe, vor allem, weil du dann zwar ganz nah dran bist, aber zur Eröffnung selbst nicht gehen darfst (und auch das meiste am TV verpaßt). Wir interviewen die Fahnenträger und andere prominente Sportler, während sie sich auf den Einmarsch ins Stadion vorbereiten. Ich habe mich um die Eisläufer Javier Fernandez und Jian Tong gekümmert, die ihre Fahne tragen durften, aber ich habe auch die deutsche Fahnenträgerin Maria Höfl-Riesch und den Schweizer Skispringer Simon Amann interviewt. Der gab das beste Zitat, denn er sagte, daß er noch seinen Kindern davon erzählen wird, daß er die Fahne tragen durfte und daß er ihnen darüber mehr erzählen wird als über seine Goldmedaillen (er hat einige). Anscheinend wurden längst nicht alle Tickets verkauft (kein Wunder bei den Preisen), so daß freiwillige Helfer die Chance bekamen, diese ungenutzten Plätze einzunehmen. Das war eine gute Sache, allerdings so chaotisch organisiert, daß am Ende nur wenige zum Zuge kamen und Plätze unbesetzt blieben.

Seit dem ersten Newsletter hat sich einiges getan. Es sind nach und nach immer mehr Eiskunstläufer eingetroffen, was natürlich für uns auch Arbeit bedeutete, denn fast jeder sollte ja mindestens einmal schon beim Training interviewt werden. Auch unser Medienhotel ist voll geworden. Das Frühstück verwandelt sich aber immer mehr in die Resteverwertung des Abendbüffets. Es gibt fast kein klassisches Frühstück mehr, dafür aber viele Salate und Fleischgerichte! Aber wer will schon chicken wings und Salat zum Frühstück essen? Aber ich will nicht klagen, denn die freiwilligen Helfer leben viel spartanischer und bekommen nur ein sehr mickriges Frühstück.

Die Verpflegung in der Lounge für die Mitarbeiter ist nach wie vor nicht so toll. Manchmal frage ich mich, ob nicht die verschwundenen Straßenhunde dort verwertet wurden…. Leider sind nämlich wirklich die meisten Hunde nicht mehr da. Angeblich wurden sie eingefangen, um geimpft und tierärztlich untersucht zu werden. Das war jedenfalls die Antwort in der Pressekonferenz des Organisationskomitees als tatsächlich ein Journalist danach fragte. Wer’s glaubt… Wenigstens den lustigen schwarzen Hund mit einem weißen Fleck auf der Brust, der um den Eisberg herumspringt, habe ich neulich noch gesehen, und heute morgen habe ich auch noch zwei am Hotel beobachtet.

Die Sicherheit war ein neuralgischer Punkt, der vielen Sorgen machte. Die Amerikaner verbreiten wie immer gerne Panik, angeblich sollen Terroristen nun Sprengstoff in Zahnpastatuben verstecken. Na ja, das kann dann wenigstens keine größere Menge sein. Die Sicherheitskontrollen finde ich nicht übermäßig streng. Man darf zwar kein Essen mitnehmen, aber Süßigkeiten sind schon unbeanstandet durchgekommen, auch hartgekochte Eier. Manchmal gucken sie in meine Tasche und fragen nach den Batterien oder dem Computer, aber gestern zum Beispiel haben sie gar nichts genauer angeschaut, obwohl doch die Eröffnungsfeier ist. Alle sind freundlich, das möchte ich auch betonen.

Beim Training habe ich in den vergangenen Tagen einige prominente ehemalige Eisläufer getroffen, die als TV-Kommentatoren oder Experten im Einsatz sind: Michelle Kwan (die mich immer noch kennt, was ich nicht für selbstverständlich halte), Joannie Rochette, Kurt Browning, Evan Lysacek, Tanith Belbin. Das Wetter ist toll, sonnig und sogar fast warm. Ich laufe jeden Morgen vom zentralen Pressezentrum, wo der Bus hält, zur Eishalle, am Eisschnellaufstadion vorbei. Das dauert ca. 15 Minuten und ist ein angenehmer Spaziergang, da ich ja sonst den ganzen Tag drinnen hocke. Es gibt auch einen Bus, der alle Stadien abfährt, aber da unser Eisberg an vorletzter Stelle kommt, ist man zu Fuß schneller da.

Jetzt ist gerade der Teamwettbewerb wieder losgegangen. Und heute kommen Aljona und Robin hier an. Der mdr hat heute auch die Katze aus dem Sack gelassen, daß sie ein neues KP zum „Pink Panther“ einstudiert haben. Einige wußten das ja schon, aber wir haben auf Ingos Wunsch bisher nichts gesagt oder veröffentlicht.

Teil 3
16. Februar 2014

Hallo alle, nach ein paar langen Wettkampftagen melde ich mich wieder. Wir ihr sicher wißt, stecken wir mittendrin in den Spielen, die Halbzeit ist erreicht. Am Mittwoch, war schon ein ganz wichtiger, leider auch etwas trauriger Tag mit der Paarlaufkür. Unser Eislaufpaar Aljona Savchenko und Robin Szolkowy leistete sich zwei Stürze in der Kür und landete auf Platz drei. Ihr Traum vom Olympiagold platzte „wie eine Seifenblase“. Es war sehr traurig. Für mich bleibt das Bild, wie sie auf dem Podest stehen, er hält sie im Arm, sie trösten sich gegenseitig. Es wäre ohnehin sehr schwer gewesen, jeder weiß das, Tatjana Volosozhar und Maxim Trankov sind ein hervorragendes Paar und hatten Heimvorteil. Sie haben zwar auch Fehler gemacht, aber eben keine so kapitalen. Gegen sie zu gewinnen wäre ohnehin sehr, sehr schwer gewesen, aber wenn Aljona und Robin wenigstens eine perfekte Kür gelaufen wären, hätten sie darüber glücklich sein können. Ich hoffe, sie werden bald realisieren, daß ihre Karriere großartig war, auch wenn ihnen das olympische Gold versagt geblieben ist.

Am Tag danach gab es noch ein Pressegespräch mit Aljona und Robin. Aljona ließ dort und bereits am Abend nach der Kür durchblicken, daß sie überlegt, mit einem neuen Partner ihre Karriere fortzusetzen. DPA griff die Story auf, da wollte Aljona nichts bestätigen. Robin möchte definitiv aufhören. Dieses Gespräch fand in der „internationalen Zone“ des Olympischen Dorfes statt, so daß ich da auch mal reingekommen bin. Aber viel zu sehen gab es nicht. Dort steht eine Bühne, ein Café, alles temporäre Bauten. Das eigentliche Olympische Dorf besteht aus Wohnhäusern, die ein Stück weiter weg sind.

Der Teamwettbewerb war am Sonntag zuende gegangen. Hier hat Rußland ebenfalls verdient gewonnen, denn ihr Team zeigte durchgehend starke Leistungen. Jevgenij Plushenko war zwar nicht perfekt, aber dennoch Hut ab für seine Leistung angesichts seiner Verletzungsgeschichte. Er hat eine künstliche Bandscheibe! Viele meinten ja, er würde dann nach dem Teamwettbewerb aussteigen, aber er ist drin geblieben. Allerdings nur bis zum KP der Herren, wie wir dann am Donnerstag feststellen mussten.

Das KP der Herren war recht spannend, aber richtig gut liefen nur wenige. Einer davon war Peter Liebers, der ein perfektes Programm mit 4T-3T ablieferte und auf einmal Fünfter war. Yuzuru Hanyu war auch hervorragend und stellte einen neuen Punkterekord auf, kam sogar als erster Läufer überhaupt auf mehr als 100 Punkte im Kurzprogramm.

Plushenkos Aufgabe war natürlich ein Knaller. Im Einlaufen sprang er einen dreifachen Axel, stolperte, hielt sich danach den Rücken. Er wäre als erster in der Gruppe gelaufen. Nach kurzem Gespräch mit seinem Trainer fuhr er zur Schiedsrichterin und sagte ihr, daß er aufgeben müsse. Großes Drama! Ich denke, daß er nach dem Teamwettbewerb sehr euphorisch war und gedacht hat, er könne auch noch die Einzelwettbewerbe stemmen, aber dann mußte er feststellen, daß es doch nicht ging. Zumal er am Abend vorher noch zweimal im Training gestürzt war und die Erholungsphase kurz war. So war dann kein Russe mehr im Wettbewerb. Leider gingen viele Zuschauer, nachdem er zurückgezogen hatte. Das finde ich allen anderen Sportlern gegenüber unfair.

Der Zeitplan machte übrigens auch den anderen zu schaffen. In der Herrenkür gab es viele Fehler, auch der spätere Olympiasieger Yuzuru, stürzte zweimal, und Silbermedaillengewinner Patrick Chan stolperte mehrmals. Mehrere Läufer sagten nach der Kür, daß es ein harter Wettbewerb war und sie erschöpft waren, weil das KP der Herren erst am späten Abend vorbei war und sie am nächsten Morgen schon wieder Training hatten und abends die Kür laufen mußten. Peter hatte auch noch das Pech, zur Dopingkontrolle zu müssen, so daß er erst gegen zwei Uhr morgens ins Bett kam.

Unsere Arbeit hat sich gut eingespielt. Mit meinen „medal alerts“ und „event reviews“ war ich bisher sehr schnell. Mit den ganzen Vorschauen (zwei pro Kategorie und Team), Extended Startlists und Artikeln zu verschiedenen Themen ist hier doch sehr viel zu tun, auch wenn wir nur ein Segment pro Tag haben und nicht zwei wie bei ISU Meisterschaften. Ich hätte mir gewünscht, daß wir nach den Paaren einen Tag ohne Eislaufwettbewerb gehabt hätten, um mich von der Paarlaufkür zu erholen. 🙂

Aus dem Hotel gibt es eine Gruselgeschichte zu berichten. Ein Kollege vom Nachrichtendienst kam spät nachts in sein Zimmer und fand Blutspuren im Bad sowie ein Loch in der Wand. Wie sich herausstellte, war eine Ratte durch die Wand gebrochen! Der Kollege flüchtete aus dem Zimmer und konnte noch in der Nacht umziehen. Ich habe bisher keine Ratten bemerkt, aber gestern nacht hörte ich ein Rascheln… Mein größtes Problem ist wie erwartet das Wäsche waschen. Man muß Glück haben, um zum Zuge zu kommen. Einmal bin ich um 3.20 Uhr wach geworden und habe geschaut ob die Waschmaschine frei ist, und sie war es nicht! Aber etwa eine Stunde später bin ich wieder aufgewacht und konnte waschen. Heute morgen mußte ich um 6 Uhr aufstehen und bin schnell in die Waschküche. Ich kam gerade rechtzeitig, denn ein Mitbewohner war gerade fertig geworden. Ich war dabei, meine Wäsche reinzutun, als schon der nächste kam, aber der hatte dann Pech gehabt und musste warten.

Dann hatte ich noch ein Computerproblem. Das Netzteil hat sich verabschiedet. Mein Retter war ein Freund, der hier für die Technik verantwortlich ist. Er hat das Ding auseinandergenommen und neu zusammengebaut. Jetzt wird es hoffentlich bis zum Ende der Spiele halten. Vielen Dank!

Das Wetter war ein paar Tage traumhaft, sonnig und recht warm, nur der Wind ist frisch. Ich bin gestern mit meinem Kollegen Greg im Olympiapark spazieren gegangen, dort herrschte eine schöne Stimmung. Die Leute lagerten in der Sonne auf dem Rasen, auf Großbildschirmen konnte man Wettbewerbe verfolgen. Abends sind wir zum Medaillenplaza gegangen, um die Siegerehrung der Herren zu sehen. Die Eiskunstläufer erhalten erstmals ihre Medaillen nicht auf dem Eis, sondern am nächsten Tag auf dieser Bühne im Olympiapark. Leider standen wir so ungünstig, daß die Tribüne für die Photographen uns die Sicht auf das Podest versperrte und wir alles nur auf dem Großbildschirm sehen konnten, obwohl wir ganz vorne standen. Wir hatten nicht gewußt, wo das Siegerpodest stand. Na ja, falls wir noch einmal die Gelegenheit haben sollten, zu einer Siegerehrung zu gehen, wissen wir, von wo aus wir besser sehen können. Bei der Siegerehrung der Paare war ich nicht, weil die während des KP der Herren stattfand.

Heute nun geht es weiter mit dem Eistanz.

Teil 4 – Abschluss
27. Februar 2014

Hallo alle,

die 22. Olympischen Winterspiele sind Geschichte! Leider kam ich nicht mehr dazu, mich von dort zu melden. Die Tage waren sehr arbeitsreich, aber auch spannend.

Im Eistanz gewannen Meryl Davis & Charlie White eigentlich wie erwartet, und obwohl ich die Kanadier Tessa Virtue & Scott Moir bevorzuge, kann ich diese Entscheidung gut akzeptieren. Bei den Damen gab es viele, die von einem Skandal sprachen, daß Adelina Sotnikova aus Rußland vor Titelverteidigerin Yuna Kim und Carolina Kostner gewann. Soweit würde ich nicht gehen, auch wenn ich sicher bin, daß der Heimvorteil eine entscheidende Rolle gespielt haben dürfte und sich die Preisrichter von Adelinas dynamischen, Freude ausstrahlendem Laufstil und der lautstarken Unterstützung in der Halle haben mitreißen lassen. Adelina ist tatsächlich zwei tolle Programme gelaufen, aber sie hätte in der Note für die Präsentation nie mehr oder genauso viel wie Kim und Kostner erhalten dürfen. Bei mir wäre Carolina Kostner Olympiasiegerin geworden. Aber ich hatte vorher schon gesagt, daß mir eigentlich egal ist, wer gewinnt, Hauptsache Carolina bekommt eine Medaille. Sie hat sie so sehr verdient.

Am letzten Wettkampftag in unserer Halle war ich sogar beim Shorttrack und konnte den neuen russischen Superstar Viktor Ahn erleben. Ahn ist eigentlich ein Koreaner, der sich mit seinem Verband überworfen hatte, obwohl er für Korea auch schon Olympiagold geholt hatte. Er ging dann nach Rußland, weil er in Korea keine Chance mehr hatte, und gab sich den Vornamen Viktor, was ja bekanntlich „Sieger“ heißt. Nun feierte er süße Revanche und holte insgesamt drei Goldmedaillen, zwei im Einzel und eine in der Staffel. Die zwei letzten Siege habe ich live verfolgt. Beim Short Track herrschten eine Riesenstimmung und ein Höllenlärm, wie beim Eishockey. Immer wieder gibt es spektakuläre Stürze und Favoriten kegeln sich aus dem Rennen, daher ist es immer lustig und alles kann passieren.

Außerdem bekam ich eine Karte für den Eisschnelllauf und konnte so die benachbarte Adler Arena besuchen. Das war mal was anderes, auch wenn der Eisschnelllauf an sich nicht so mitreißend ist. Hier haben die Holländer dominiert, auch ich sah zwei holländische Siege des Damen- und Herrenteams. Neben mir saß ein Mann, der offensichtlich vom Eisschnelllauf war und eine orangene holländische Teamjacke trug, von dem habe ich mir erstmal erklären lassen, wie dieser Team-Wettbewerb funktioniert.

Die Eiskunstläufer hatten ein schönes Schaulaufen zum Abschluß am 22. Februar. Ich konnte noch Aljona und Robin und Carolina interviewen. Irene hat dankenswerter Weise die Abschrift dieser Interviews übernommen, sowie auch die eines Interviews davor mit Peter Liebers, ich hätte das sonst gar nicht geschafft.

Ich hatte übrigens das Glück, daß die deutschen Paarläufer Gefallen an meiner Uniform gefunden haben. Ich habe Robin und Daniel je ein Hemd gegeben. Robin brachte einen ganzen Rucksack mit Tauschware mit, aber mir paßte nur die Jacke (die mir ohnehin am besten gefallen hatte), die Pullis waren zu eng für mich. Ich bin halt nicht so schlank und athletisch wie Robin! Aber zwei der Papageienhemden gegen eine deutsche Olympiajacke zu tauschen, war für mich ein gutes Geschäft. Mein „letztes Hemd“ habe ich Aljona geschenkt, die es jemandem mitbringen wollte. Mit Aljona konnte ich schon mal gar nichts tauschen, die trägt ja xxs. 😉

Die Hemden war ich los, den Rest habe ich mitgenommen. Mein Kollege Greg und ich hatten außerdem noch je einen Kapuzenpulli mit dem „Iceberg“ Logo (unserer Halle) bestellt. Die Pullis wurden allerdings erst nach Gregs Abreise geliefert, so daß ich jetzt seinen erst einmal mitnehmen durfte und ihn dann später über einen weiteren Eislaufbekannten nach Kanada werde transportieren lassen. Mein Gepäck war also ganz schön angeschwollen. Zum Glück zeigte sich die russische Fluggesellschaft S7 bei der Abreise sehr kulant. Ich wollte eigentlich eine zweite Tasche aufgeben und dafür bezahlen, aber der freundliche Mann am Schalter sagte, das müsse ich nicht. Ich könne die Tasche ruhig zusammen mit meinem Rucksack und dem Computertrolley als Handgepäck mitnehmen. Ich habe die Tasche dann in Moskau bei meinem Anschlußflug mit der Lufthansa aufgegeben. Bei der LH darf ich als Senator auch in der Eco ohne Aufpreis zwei Gepäckstücke aufgeben und die LH hätte mich wohl nicht mit drei ziemlich großen Handgepäckstücken in die Kabine gelassen.

Am 23. Februar war die Schlußfeier. Greg und ich haben Karten bekommen. Das ist bei der Schlußfeier einfacher, weil schon sehr viele abgereist sind und Karten übrig sind. Wir waren zusammen mit ISU-Medienkoordinatorin Selina dort und haben es genossen. Vielleicht habt ihr die Feier im Fernsehen angeschaut. Das breite Spektrum der russischen Kultur wurde kurzweilig dargestellt. Ich mag diese Massenveranstaltungen eigentlich nicht so gerne, dieses Gedränge überall, aber es ging, weil wir erst kurz vor Beginn kamen und die meisten Leute schon drin waren und auch kurz vor Schluß gegangen sind, bevor alle nach draußen strömten. Außerdem konnten wir so draußen das Feuerwerk bestaunen.

Meinen Rückflug hatte ich wegen eines Versehens erst für den 27. gebucht. Aber das war auch besser so. Direkt nach den Spielen ist am Flughafen die Hölle los, man sollte vier bis fünf Stunden vorher da sein, und außerdem gab es in Frankfurt einen Streik. Mehrere Leute saßen erst einmal ohne Gepäck da, weil gar nicht alles von Sotchi mitkam. Mir ist es ja auch mal so ergangen, 2002 in Salt Lake City, seitdem vermeide ich, am Hauptabreisetag zu fliegen.

Einige Kollegen vom Newsservice waren auch noch da, teilweise weil sie für die Paralympics bleiben und teilweise, weil sie keine günstigen Flüge direkt nach den Spielen bekommen hatten. Unsere Flashquote Reporter sind bereits am 23. abgereist. Am 24. war ich mit Greg in Adler und wir haben noch Souvenirs gekauft. Am 25. habe ich mit unserem Teamleiter James und dem Short Track Reporter Neal einen Ausflug in die Berge unternommen, nach Rosa Hutor. Das sieht wirklich aus wie ein alpines Resort. Ich bin mal gespannt, ob das alles in Zukunft genutzt wird. Hoffentlich verkommt es nicht! Hier Winterurlaub zu machen, dürfte aber mindestens so teuer sein wie in der Schweiz. Wir sind mit dem schönen neuen Zug gefahren. Am letzten Tag schließlich bin ich endlich nach Sotchi gekommen, das liegt ja ca. 40 km von Adler und dem Olympiapark entfernt. Die Zugstrecke führt direkt am Schwarzen Meer vorbei. Irgendwie erinnerte mich Sotchi an Nizza. Es war ganz nett, aber nicht so beeindruckend, außerdem hat es geregnet. Ich bin bis zum Hafen gelaufen. Als ich dort ein paar Photos gemacht habe, auch von einem etwas weiter draußen liegenden Schiff, meckerte mich ein Mann an, ich solle keine Kriegsschiffe photographieren. Ich dachte, das war nur ein Fischkutter. Aber als ich rangezoomt habe, sah ich, daß es sich um ein Boot der Küstenwache handelte, allerdings bestimmt kein neues Modell, das sich lohnen würde auszuspionieren. Am Vormittag war ich noch ein letztes Mal im Olympiapark, weil ich im Iceberg die Sweatshirts abholen mußte. Einmal bin ich also noch vom Pressezentrum durch den Park zur Halle gelaufen, und alles war so leer und verlassen, richtig traurig! Dafür tauchten wieder mehr Straßenhunde auf, die sich ihr Territorium zurückerobern.

Auf Wiedersehen, Sotchi! Hier soll es ja in Zukunft einige Sportveranstaltungen geben (die Formel 1 und die Fußball WM kommen sicher hierher), um die Bauten zu nutzen. Dann bleibt hoffentlich etwas Sinnvolles von den teuersten Spielen, die es bisher gab.

Ein herzliches Dankeschön an Susi, Kaori und Arsenij, die sich um Lucinda gekümmert haben!

Viele Grüße, schon von der Heimreise

 

Tanja

 

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